GIFTIGE NACHT – Ein Coco-KatzenKurzKrimi zu Weihnachten, dem Fest der Liebe
von Marianne Kaindl
Dieser Frau Rabenauer habe ich, Krimi-Katze Coco, die Ermittlerin auf Samtpfoten, schon einmal in die offene Handtasche gepinkelt, weil sie so garstig zum Frauchen war. Als sie kürzlich kam, um das Bild zu begutachten, das sie bei ihr in Auftrag gegeben hatte, da verhielt sie sich jedoch richtig nett. Vielleicht, weil es so kurz vor Weihnachten war und an Weihnachten alle Menschen lieb, fröhlich und mit Päckchen bepackt sind? Man weiß es nicht.
Jedenfalls hatte sie Rebekka, meinem Frauchen, ein hübsches weiches Päckchen mitgebracht, mit goldenem Glanzpapier umwickelt und mit einer großen Schleife geschmückt. Sie hatte sich sogar über Julia gebeugt, sie gekitzelt und „Gillegille, kleine Maus“ gesagt. Rebekkas und Stephans Tochter Julia ist jetzt fast vier, und sie schätzt es überhaupt nicht, wenn sich eine intensiv nach Parfüm stinkende Dame über sie beugt, so dass ihr deren Perlenkette ins Gesicht schaukelt, und „gillegille“ zu ihr sagt.
Frau Rabenauer war schon an der Tür, als sie mit dem herausrückte, was sie eigentlich wollte.
„Ja, und liebe Frau Sommerthal, Sie bringen mir dann das Bild pünktlich am Heiligabend um 21 Uhr zur Bescherung vorbei, das hatte ich Ihnen ja wohl angedeutet, als ich den Auftrag erteilte, nicht wahr; wir sind im Hotel zum Güldenen Stern, und damit es ein besonders aparter Auftritt wird, habe ich für Sie ein Serviererinnen-Kostüm besorgt, wie sie es im Güldenen Stern tragen, Sie finden es in dem Päckchen, das ich Ihnen vorhin gab. Seien Sie pünktlich – ich verlasse mich auf Sie.“
„Das geht überhaupt nicht“, sagte Rebekka entschieden. Ich beobachtete aus den Augenwinkeln, dass mein Mitkater Merlin sich an die Rabenauer heranpirschte. „Das geht nun wirklich nicht. Ich feiere Weihnachten mit meinem Mann und meinem Kind, und natürlich mit den Krimi-Katzen, außerdem kommen Freunde zu Besuch.“
„Nun, das müssen Sie selber wissen“, lächelte Frau Rabenauer, und ihr Gesicht wurde noch einen Tick freundlicher und gütiger. „Also – ich, ich bin auf dieses Bild nicht angewiesen. Sie aber, Sie sind vielleicht auf Ihr Honorar angewiesen, nicht wahr, meine Liebe? Ich empfehle Ihnen deshalb dringend, pünktlich da zu sein. Und ja: Das schönste Weihnachtsgeschenk in diesem Jahr, das mache ich mir sowieso selbst. Hach, ich wünsche mir nichts so sehr wie ein Zimmer für mich allein, das können Sie wohl nicht verstehen, nicht wahr, Kindchen.“
Merlin musste kotzen, doch leider traf er dabei nicht ihre feinen Kalbslederschühchen, denn sie hatte sich schon umgedreht und war gegangen.
Unser Christbaum sieht völlig anders aus als alle anderen Christbäume der Welt. Statt Kugeln hängen da Tuben mit feinster Schleckpaste für uns Katzen. Statt Lametta glitzern Spielsachen für Julia, kleine Überraschungen für Rebekka und hübsche Geschenke für Stephan zwischen den Zweigen. In diesem Jahr glitzerte noch viel mehr, denn wir hatten Besuch. Unsere Nachbarn, die Musiker Sarah, Vanessa, Rafik und Kalil, waren herübergekommen, natürlich mit meinem Herzenskater Felix und mit Struppi und Wuschel, unseren Söhnen, die alle drei bei ihnen leben.
Die Katzen hatten noch einen alten Freund mitgebracht, Krümi hieß der. Er war ein hübscher Tiger-Mann, und er konnte sehr unterhaltsam erzählen.
Menschen und Katzen hielten sich die Bäuche vor Lachen, als er jetzt von seiner Zeit bei einem Punkerpärchen berichtete. Tatsächlich war es wohl alles andere als komisch gewesen – er hatte großes Glück gehabt, als er, völlig frustriert vom Leben, zu seinem jetzigen Frauchen gekommen war. Die hatte es mit seiner Lethargie aufgenommen, hatte ihm vorgelesen und vorgesungen, mit ihm geplaudert und seine spezielle Begabung gefördert: die Gabe, zu beobachten und die richtigen Schlüsse zu ziehen.
Während Krümi erzählte, beobachtete ich aus den Augenwinkeln meinen schwarzen Mitkater Percy. Sacht und leise war er in den Baum gestiegen und fischte gerade nach einer Tube Lachspaste. Fast hatte er sie erreicht, da verlor er das Gleichgewicht und purzelte mitten hinein in den Spielzeugpferdestall, den das Christkind Julia gebracht hatte. Percy drehte sich, schüttelte sich, und unbeeindruckt von seinem Sturz sprang er über die Lusitano-Stute mit der roten Mähne und dem roten Schweif hinweg, deren eingebaute Elektronik sie sofort wiehern machte.
Die Katzen Goldie, Merlin, Rosita und Luca quietschten vor Vergnügen, und Timmy und Bela, meine anderen beiden Kinder, die jetzt schon berühmte Samtpfoten-Künstler sind, verloren vor Lachen das Gleichgewicht.
„Nun aber wieder Musik“, schlug Kalil vor, und wir alle sangen und miauten, von ihm und seinen Freunden auf Klavier, Geige, Cello und Oud begleitet, das alte Lied, das überall auf der Welt an Heilig Abend gesungen, gemaunzt, gezwitschert und gewiehert wird: „Stille Nacht, heilige Nacht, alles schläft, einsam wacht nur das traute hochheilige Paar. Holder Knabe im lockigen Haar, schlaf in himmlischer Ruh.“
So geht es zu bei uns an Weihnachten.
Die alte Uhr, die Stephan von seinem Onkel geerbt hat, schlug achtmal kurz und einmal lang. Viertel nach acht.
„Ist nicht um neun die Bescherung von dieser Rabenauer? In dem Hotel da?“, maunzte Krümi.
„Ich geh’ da nicht hin“, protestierte Rebekka, kuschelte sich an ihren Mann und griff traumverloren in die Schale mit den köstlichen Spitzbuben, Aachener Printen und Nougatwölkchen.
„Aber wir!“, verkündete Merlin. „Wer kommt mit?“
In der Lobby des „Güldenen Sterns“, da wo die geschwungene Marmortreppe hochführt zu den Zimmern und Suiten, schlüpften wir hinter ein paar ausladende samtrote Sofas – Stammleser unserer Bücher wissen, dass wir Katzen diese Farbe als ein weiches Türkis sehen. Dort führten wir einen Katzentanz auf, indem wir senkrecht in die Höhe sprangen und uns im Fallen schüttelten. So bekommt man den Schnee am schnellsten aus dem Fell.
Anschließend schlichen wir uns ins Restaurant. Natürlich nicht alle gleichzeitig. Wir sind ja Ermittlerkatzen und haben schon mehrere Mordfälle aufgeklärt, wir wissen; wie man sich tarnt. Eine Katze nach der anderen glitt hinter die langen Vorhänge, unter die Aufbauten des Salatbüfetts mit den bodenlangen Tischdecken, in die Ecke mit den unbequemen antiken Stühlen aus dem Mittelalter, die nur zum Anschauen und Renommieren da sind, weil man aus denen fast nicht mehr hochkommt.
Wir kauerten da und guckten uns um.
Die Rabenauer hatten wir schnell entdeckt. Sie und ihre Leute saßen an einem Tisch am Fenster zum festlich geschmückten Innenhof. Alle anderen Tische waren mit dezenten Gestecken aus Tannenzweigen und goldenen Kugeln geziert, diesen aber dominierte ein riesiges Bouquet dunkelroter Rosen.
Ja, richtig. Für Katzenaugen samtig-türkis.
Ich sog die Luft ein, aber ich roch die Rosen nicht, obwohl wir inzwischen ganz nah dran waren, direkt hinter den Vorhängen des Innenhof-Fensters. Tannenduft, das schreiende Parfüm der Rabenauer, dezentere Düfte anderer Damen an anderen Tischen, Essensgerüche und Schweiß – und neben mir der vertraute Duft von Felix. Aber kein Rosen-Odeur.
Die Rabenauer sah heute selbst beinah aus wie eine Christbaumkugel, denn sie trug ein langes goldenes Paillettenkleid.
Neben ihr stopfte ein wohlgenährter Herr mit Stiernacken, hellblonden Ringellöckchen und lauter Stimme den Nachtisch in sich hinein. Er erzählte Witze, während er stopfte, und am meisten lachte er selbst darüber. Es war ganz offensichtlich der Mann der Gisela Rabenauer, denn einmal strich sie ihm vom Jackett eine Fluse weg und ließ ihre Hand etwas länger auf seiner Brust als es nötig gewesen wäre.
Dem Alleinunterhalter gegenüber hockte in sich zusammengesunken eine Frau im schwarzen Abendkleid, das ihr offensichtlich zu eng geworden war. Fettwülste beulten sich am Rücken und der Taille, berichtete Rosita, die sich ganz nah an den Tisch gewagt hatte, um nur ja kein Detail zu übersehen.
„Ja, und die Anneli, das war die, die immer am wenigsten Geschenke bekam“, lachte Herr Rabenauer, „und einmal, da warst du dreizehn, nicht wahr, Anneli, oder vielleicht auch erst zwölf, da hast du dir selber Päckchen gepackt und sie unter den Baum gelegt, nicht wahr, Anneli, und dann hast du zu mir gesagt: ‚In diesem Jahr habe ich aber mehr Geschenke als du!’“
Anneli errötete, was für uns Katzen wie erblauen aussieht.
„Ja und dann, weißt du noch, wie es ausging?“, lachte er.
„Nein, ich erinnere mich nicht. Und das interessiert sicher auch niemanden hier“, flüsterte Anneli. Aber so leise sie auch war – ihre Augen blitzten gefährlich.
„Jetzt ist gleich Bescherung. Weihnachten ist so ein schönes Fest, findet ihr nicht“, unterbrach der Herr im nicht mehr taufrischen schwarzen Anzug, der an Annelis Seite saß und tätschelte beruhigend ihre Schulter.
„Sei doch endlich still“, fauchte Gisela Rabenauer. „Du bist immer der Größte. Das wissen wir schon lange; du kannst dich also entspannen. Die meisten Päckchen, die größte Jacht, die schönsten Weiber, wir wissen es. In Wirklichkeit steht die Firma kurz vor dem Bankrott. Man darf nur nicht drüber reden, nicht wahr? Du bist ein solcher Versager, da fehlen mir echt die Worte. Warum hab ich dich bloß geheiratet, du verdirbst einem sogar den Weihnachtsabend“.
„Nun, mein Schatz, das wird schon seinen Grund gehabt haben, warum du mich geheiratet hast“, grinste der Stiernackige und fuhr dann lauthals fort: „Du hast doch überhaupt keine Ahnung. Keinen Schimmer einer Ahnung hast du, das war schon immer so. Aber wie die Geschichte ausging, das erzählte ich noch gar nicht. Oder willst du es selber sagen, Anneli? – Also: Wir alle marschieren recht feierlich ins Wohnzimmer, die Eltern setzen sich auf die Couch, die Anneli quietscht etwas auf der Geige, das jedoch nur eine entfernte Ähnlichkeit mit ‚Stille Nacht’ hat, und dann bekommen wir alle unsere Päckchen. Ich kriege fünfzehn. Nicht zwölf wie im Jahr davor, sondern fünfzehn. Weil ich damals nämlich drei Freundinnen gleichzeitig hatte, und jede hat mir einen Schal gestrickt, haha. Fünfzehn. Und die Anneli wusste noch, dass ich im Jahr davor zwölf hatte und hat ihre Weihnachtspäckchen auf vierzehn aufgestockt. Haha. Aber ich hatte fünfzehn. Das mit den drei Freundinnen, das konnte sie ja nicht wissen. Also hatte ich wieder eins mehr als sie, und sie hat dann den ganzen Abend geheult. Heulst du eigentlich immer noch dauernd? Na, der arme Eugen. Nicht wahr, Eugen, prost, Eugen! Haha! Auf den, der immer alles kriegt, nicht wahr?“. Er hob sein Glas und nickte in die Runde.
„Auf dich“, sagte Anneli trocken.
„Auf dich“, sagte Eugen.
„Auf den, der immer mehr kriegt, als er braucht!“, sagte Gisela Rabenauer. „Ich kümmere mich mal um die Bescherung, ich bin gleich wieder da.“
Ich glaubte aber, als ich da hinter dem Vorhang saß und die Szene beobachtete, dass sie sich überfressen hatte und jetzt aufs Klo musste, denn sie blieb ziemlich lange weg.
Inzwischen räumte ein Kellner das Geschirr ab, schenkte nochmals Wein nach, und eine Servierkraft brachte den Kaffee. Herrn Rabenauer stellte sie einen Sherry hin.
„Ja, dann mal los“, schmetterte der. „Trinkt euren Kaffee, die Gisela braucht wieder mal ewig und drei Tage, wahrscheinlich polstert sie sich die Falten auf, und das kann dauern, bei den Landschaften, die sie da hat in ihrem Gesicht, hahahaha.“
Er hob das Glas, er nickte wieder in die Runde; die beiden anderen versuchten zu lächeln, was ihnen nur schwer gelang, er kippte den Sherry in einem Zug hinunter – und im nächsten Moment warf er den Kopf in den Nacken, aber er lachte nicht, nein, er röchelte, keuchte, patschte sich röchelnd auf die Brust, Anneli schrie, Eugen rief nach einem Arzt.
Die Menschen an den Nebentischen sprangen auf. Der Kellner lotste sie in die Lobby, ein anderer rief den Notarzt. Frau Rabenauer kam zurück in ihrem goldenen Kleid, und als sie das Desaster sah, da schrie sie: „Jetzt macht doch was, er stirbt sonst noch, jetzt macht doch was, Herzmassage, Mund-zu-Mund-Beatmung, jetzt macht doch was!“
Der Geschäftsführer des Restaurants eilte herbei und ordnete an: „Beine hoch lagern, Herzmassage!“ Noch während sie alle diskutierten, was zu tun sei, gerade als von fern das Martinshorn ertönte, da hörte er auf zu keuchen und sein Kopf fiel nach vorn, auf den Tisch, sein Weinglas kippte um, seine Schwester schrie wie am Spieß.
Merlin, Percy, Felix und Krümi besprachen sich leise hinter dem Vorhang. Rosita, Goldie und Luca schlüpften unter den Tisch, um näher am Geschehen zu sein.
Ich dachte nach. Prüfend sog ich die Luft ein, flehmte und dachte nach.
Und noch bevor der Notarzt den Tod festgestellt hatte, den Selbstmord durch Blausäure, weil er noch eine weitere Kapsel davon in der Brusttasche seines Jacketts stecken hatte – noch bevor der Notarzt den Tod festgestellt hatte, wusste ich, wer Herrn Rabenauer ermordet hatte.
„Je t‘aime“, hauchte es aus Hauptkommissar Silkowskis Musikanlage, als wir Katzen in seine Wohnung eindrangen. Das war auch gar nicht schwierig, weil der sanfte, süße Luca mit den treuherzig-blauen Augen ihm bei unserem letzten Besuch im Kommissariat seinen privaten Ersatzschlüssel geklaut hatte. Man weiß nie, wofür man etwas brauchen kann.
Den Hauptkommissar konnten wir zunächst nirgends entdecken. Erst als wir die Musik abstellten, kam er aus seiner Lounge. So nennt er das Zimmer mit den vielen Polstern, wo alles rot und schwarz ist. Hinter ihm erschien diese Mara, wegen der ihn Anne, seine Frau, damals rausgeschmissen hat.
„Es war Mord!“, miaute ich. Oh, Himmel, der Silkowski kann doch kein Kätzisch, und wo ist mein iPad mit dem Übersetzungsprogramm Kätzisch – Menschisch?
„Wo ist mein iPad mit dem Übersetzungsprogramm Kätzisch – Menschisch?“, murmelte ich genervt.
Hinter mir miaute es. Ein tiefes, befehlsgewohntes Maunzen. „Nimm meins“, brummte ein großer roter Kater, den ich noch nie gesehen hatte. „Übrigens, Ari mein Name, Oberinspektor Ari nennt mich mein Frauchen, weil ich der Chef von sechzig Katzen bin. Im Moment mache ich Urlaub am Bodensee. Sechzig Katzen sind manchmal ganz schön anstrengend.“
„Du machst Urlaub beim Silkowski?“, wunderte ich mich.
„Nö, das nun grade nicht“, grinste Ari. „Aber da roch es so verführerisch nach Kängurusteak, deshalb bin ich rein. Als er der scharfen Lady die Tür geöffnet hat.“
Ich nahm das iPad, öffnete die Übersetzungs-App und miaute „Es war Mord!“
Dann sprang ich auf die Musikanlage und hielt es Silkowski unter die Nase.
„Oh, Coco, nicht du schon wieder!“, stöhnte er. „Geh‚ sofort da runter! Die Anlage hat mich mehr als zehntausend Euro gekostet. Wie oft hast du mir schon so ein Ding vors Gesicht gehalten, auf dem stand ‚Es war Mord’? Heute ist Heiligabend! Verschwinde, du siehst doch, dass ich beschäftigt bin.“
„Es war Mord, und die Mörderin heißt Gisela Rabenauer“, miaute ich ins iPad und zeigte es Silkowski.
In dem Moment ging sein Handy. Sein Diensthandy.
„Was? Ein Herr Rabenauer? DER Rabenauer? Ja, und was soll ich da? Blausäure? Selbstmord? Mann, Leute, meint Ihr, ich kann den wieder aufwecken? Meint Ihr, der läuft uns noch davon? Lasst mich doch wenigstens am Heiligabend zufrieden!“
Er warf das Handy auf den Tisch und sank auf die Couch. Mara setzte sich auf ihn und vergrub ihren Kopf zwischen seinen Beinen. Er begann schon wieder, zu schmatzen und zu stöhnen. Es war also höchste Zeit, etwas zu unternehmen.
„Los geht‘s!“, miaute ich dem fremden Kater zu, der der Boss in einem Haushalt mit sechzig Katzen ist.
Ich biss den Silkowski in den rechten großen Zeh, und aus seinem amourösen Keuchen wurde augenblicklich ein urzeitlicher Schrei. Mara fuhr hoch. Ari, der Kater, setzte sich auf den Tisch vor den Hauptkommissar und miaute mit einer Autorität, über die selbst ich nicht verfüge: „Du ziehst dich jetzt sofort an, gehst in den ‚Güldenen Stern’ und verhaftest diese Frau!“
Und zu meiner großen Verblüffung stand Silkowski auf, obwohl er doch Kätzisch gar nicht versteht, schob Mara beiseite, zog sich eine schwarze Hose und einen beigen Rollkragenpulli an und wandelte wie fremdgesteuert zur Tür.
Erst im Auto, in seinem Angeberschlitten, auf dem mit Leder bezogenen Beifahrersitz, der für Katzen eigentlich tabu ist, konnte ich dem Hauptkommissar erläutern, wieso es kein Unfall war und auch kein Selbstmord, sondern Mord.
Die Kommunikation mit ihm läuft leider immer etwas schleppend, aber es geht so einigermaßen mithilfe dieser Übersetzungs-App.
Rabenauer hatte ein Blausäuregemisch im Sherryglas gehabt. Das hatte ihn umgebracht. Selbstmord. Frau Rabenauer war zu diesem Zeitpunkt draußen gewesen, die Bescherung vorbereiten. Das dachten zumindest alle.
In Wirklichkeit aber hatte ihr aufdringliches Parfum meine feine Nase gekitzelt, ich hatte es nur nicht sofort registriert, dass da etwas nicht stimmte. Dieses Parfüm hatte mich umweht, als die Servierdame den Kaffee und den Sherry gebracht hatte. Der Kellner war echt gewesen, die Serviererin aber nicht. Und weil niemand mitten im Gespräch auf die Bedienung achtet, die ihm den Sherry hinstellt, hatte sie es ganz unproblematisch geschafft, ihm den Gifttrunk unterzujubeln.
„Ja, und gleich, nachdem wir angekommen waren, sah ich, dass sie ihm einen Krümel vom Jackett wischte; da hat sie vermutlich die Blausäurekapsel in seine Brusttasche geschmuggelt“, miaute Krümi, der Krümel- und Beobachtungs-Experte.
Dass wir Katzen recht hatten und dass sie sogar noch unser Frauchen da mit hineinziehen wollte, das stellte sich bei der Befragung im Kommissariat heraus. Silkowski vernahm sie noch in der Nacht, und wir Krimi-Katzen unterstützten ihn, indem wir ihm schlaue Fragen soufflierten. Zum Beispiel die, was sie gemacht hätte, wenn das mit der Verkleidung aufgeflogen wäre.
„Nun“, sagte sie charmant lächelnd, „seine Schwester Anneli eignet sich hervorragend als Tatverdächtige, finden Sie nicht? Und da wäre auch noch Rebekka Sommerthal gewesen, eine wunderbare Verdächtige. Denn Punkt 21 Uhr, da wollte sie ja erscheinen, verkleidet als Servierdame, nicht wahr?“
Man muss es sagen: Dieser Weihnachtsabend verlief ganz sicher nicht so, wie Gisela Rabenauer ihn sich vorgestellt hatte, und wir Katzen waren daran nicht ganz unbeteiligt. Aber einer ihrer Wünsche, nun, der erfüllte sich uneingeschränkt: Sie bekam erst einmal ein Einzelzimmer. Mit Blick auf den Gefängnis-Innenhof.
© by Marianne Kaindl
Marianne Kaindl und katzen.de
wünschen euch und euren Fellnasen
wunderschöne Weihnachtsfeiertage!
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- Das Vermächtnis des Hypnotiseurs
Der zweite Coco-KatzenKrimi
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Der dritte Coco-KatzenKrimi
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